Ansprache zur Ausstellungseröffnung am 08.05.2024 von Museumsleiterin Dr. Uta Karrer
Guten Nachmittag, Wir, Hanna Seng und Clara Schwab, Schülerinnen der 11c des Gymnasiums Feuchtwangen sowie ich als Leiterin des Fränkischen Museums Feuchtwangen freuen uns sehr, Sie heute im Fränkischen Museum Feuchtwangen zu begrüßen.
Begrüßung der anwesenden Gäste
Dank an die Fördermittelgeber und ehrenamtlichen Unterstützer*innen der Sonderausstellung
Wir freuen uns, Sie in unsere Sonderausstellung einzuführen, die Sonderausstellung „Spuren jüdischen Lebens in Feuchtwangen“. Es ist eine Schul- und Museumsausstellung zu den Familien Abraham und Amalie Gutmann sowie Leo und Berta Neumann und zur Erinnerung an die Shoa.“
Sehr schön ist es, dass heute auch Herr Dr. Stang, der Schulleiter des Feuchtwanger Gymnasiums, unseres Projektpartners für die Ausstellung anwesend ist. Auch die beiden verantwortlichen Lehrkräfte, Frau Anke Mantsch und Herr Randolf Six sind hier.
Entstanden ist unser Projekt aus der Gedenkveranstaltung vor einem Jahr: am 30. Mai 2023 wurden hier in Feuchtwangen die ersten Stolpersteine verlegt. Es waren Stolpersteine für 2 Familien, für die Familie Abraham und Amalie Gutmann, die Großeltern der heutigen US-Botschafterin in Deutschland, Dr. Amy Gutmann, sowie Stolpersteine für die Familie Leo und Berta Neumann, die Familie des letzten jüdischen Kantors und Religionslehrers in Feuchtwangen. Wir sind sehr dankbar, dass heute Zvi Lapian, einen Enkel von Leo und Berta Neumann hier ist, dessen Grußwort wir soeben hören dürften.
Fünf der im letztes Jahr verlegten Stolpersteine liegen sehr nah von uns, auf der anderen Seite dieses Gebäudes. Denn hier, wo jetzt ein Erweiterungsbau des Fränkischen Museums Feuchtwangen steht, stand bis 1938 die Feuchtwanger Synagoge. In der Lehrerwohnung im Obergeschoss der Synagoge lebte die Familie von Leo und Berta Neumann. Wir alle befinden uns gerade im Bereich des ehemaligen Hofs der Synagoge.
Aus der Verlegung der Stolpersteine und dem Erinnern an die uns so nahe Vergangenheit entstand die Idee, etwas für die Zukunft zu tun. Die Idee eines Ausstellungsprojekts mit Schülerinnen und Schülern kristallisierte sich heraus, eines Projekts in dem wir uns aus verschiedenen Perspektiven gemeinsam Gedanken über die Vergangenheit und über unseren Beitrag für eine bessere Zukunft machen.
Im Oktober 2023 startete das Projekt für die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Feuchtwangen.
Sicherlich sind Sie sehr gespannt, was Sie in unserer Ausstellung erwartet:
In der Ausstellung werden Sie Sichtweisen von Schülerinnen und Schülern auf die jüdische Geschichte unserer Stadt Feuchtwangen und auf die Shoa erleben, die sich Gedanken um die Vergangenheit und Zukunft machen. Intensiv haben sie sich mit Biografien von Feuchtwanger Jüdinnen und Juden auseinandergesetzt.
Einer von Ihnen ist Jost Neumann. Er war Sohn des Kantors Leo Neumann und lebte hier, mit seiner Familie in der Lehrerwohnung der Feuchtwanger Synagoge, wie ich vorhin schon erwähnte. Naomi Krohmer hat sein Leben grafisch dargestellt, so dass Sie hautnah nachvollziehen können, wie er als Kind mit seinem Tretauto über den Platz vor der Synagoge fuhr, wie er seine Bar Mizwa in München feierte – und wie sein Leben mit seiner Deportation und seinem Leiden im Konzentrationslager Majdanek gewaltsam beendet wurde.
Mit der Biografie von Josts Vater, Leo Neumann, haben sich weitere Schülerinnen beschäftigt. Leo Neumann kam aus Mixstadt, im damaligen Preußen und heutigen Polen. Von Beruf war er Religionslehrer. Im 1. Weltkrieg kämpfte er als Soldat im deutschen Heer. Für seinen Einsatz wurde er mit einem Orden ausgezeichnet. Von 1924 bis zu seiner gewaltsamen Vertreibung 1937 war er Chasan, Kantor und Religionslehrer hier in Feuchtwangen. Drei unrechtmäßige und entwürdigende Inhaftierungen musste Leo Neumann während des Nationalsozialismus erleiden. Sie beruhten auf einer nationalsozialistischen Verordnung des Jahres 1933 zum „Schutz des Volkes“ vor Gefährdern und hießen daher Schutzhaft. Welcher Hohn also: Er, der Schutzlose, wurde dreimal zum angeblichen Schutz von anderen in Haft genommen, 1933, 1937 sowie 1938. Am 13. März 1943 wurde Leo Neumann zusammen mit seiner Frau Berta Neumann nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Tim Seis und Luca Hiemeier haben eine Medienstation zum Lebens- und Leidensweg von Leo Neumann entwickelt, einen Medientisch mit Bildern und Audiobeiträgen.
Wie die Familie Neumann litt auch die Familie von Abraham und Amalie Gutmann furchtbar unter dem Nationalsozialismus. Die Großeltern von Dr. Amy Gutmann, der heutigen US-Botschafterin in Deutschland, führten ein Bekleidungsgeschäft in der Feuchtwanger Innenstadt, unweit von hier. Abraham Gutmann war sozial sehr engagiert, unter anderem in der Chewra Kadisha, der Beerdigungsbruderschaft. Das Ehepaar hatte fünf Kinder. Der jüngste Sohn, Kurt Gutmann, Vater von US-Botschafterin Dr. Amy Gutmann, erkannte schon bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Schrecken der Diktatur und emigrierte daraufhin nach Indien. Sein Vater Abraham Gutmann und sein älterer Bruder Manfred Gutmann führten das Bekleidungsgeschäft hier in Feuchtwangen weiter, obwohl Manfred Gutmann wie Leo Neumann schon im März 1933 eine erste unrechtmäßige und entwürdigende Inhaftierung, erleiden musste.
Es waren die Ausschreitungen vom 20. Dezember 1937, die die Familie aus Feuchtwangen vertrieben. An diesem Tag versammelten sich über 300 Personen in der Feuchtwanger Innenstadt. Sie zogen zu den Geschäfts- und Wohnhäusern der verbliebenen jüdischen Feuchtwanger Familien, um diese aus der Stadt zu vertreiben. Die jüdischen Männer wurden von der Polizei in unrechtmäßige Haft genommen. Alle wurden dazu gezwungen, ihre Geschäfte und Wohnungen aufzugeben und aus Feuchtwangen fortzuziehen.
Unter diesen Umständen musste die Familie von Abraham und Amalie Gutmann überstützt die Stadt verlassen. Glücklicherweise konnte sie zu ihrem Sohn und Bruder Kurt Gutmann nach Indien fliehen. Ein Interview von Clara Schwab und Alina Kernstock mit der Enkeltochter von Abraham und Amalie Gutmann, mit US-Botschafterin Dr. Amy Gutmann, können Sie in der Ausstellung ansehen.
Weitere Feuchtwanger jüdische Biografien lernen Sie an einem interaktiven Stadtplan kennen. Das Wechselspiel aus historischem und gegenwärtigem Stadtbild, aus Bildern, Texten und Audiokommentaren die historischen Ereignisse und Schicksalsschläge faktisch und emotional nachvollziehbar machen.
Eine der Personen, denen Sie begegnen werden, Jeanette Schülein, führt sie ins 19. Jh. Zurück. Sie wuchs in den 1830er Jahren wenige Häuser entfernt von hier, als Tochter des Weinhändlers David Jakob Gunzenhäusers, auf. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Joel Schülein führte sie in München das Familienunternehmen „Schülein & Söhne” zum Erfolg. Einige Jahrzehnte später fusionierte das florierende Unternehmen mit der weltbekannten Löwenbräu AG. Die Nachfahren mussten 1936 aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung aus Deutschland in die Demokratie der USA fliehen.
Mit der heute zu eröffnenden Ausstellung wollen wir, die Schülerinnen und das Fränkische Museum Feuchtwangen eine Botschaft vermitteln: Wir alle sind Teil des Erinnerns und der Gestaltung einer demokratischen, weltoffenen Zukunft. Wir laden Sie ein, an Mitmachstationen zur Diskussion und zum Austausch über unsere Erinnerungskultur und unser gesellschaftliches Miteinander beizutragen.
Gerade jetzt, in Zeiten, in denen ein friedliches und demokratisches Miteinander weltweit wieder in Frage gestellt wird und ein wachsender Antisemitismus spürbar ist, möchten wir mit unserer Ausstellung eine weltoffene und demokratische Zukunft verteidigen.